Thema: Der Künstler Thomas Rentmeister über sein Werk
Autor: Peter Nijenhuis
Datum: 10 Januar 2015
Der Künstler
Thomas Rentmeister (1964, Reken, Nordrhein-Westfalen) studierte an der Kunstakademie
Düsseldorf bei Günther Uecker und Alfonso Hüppi. Sein Werkwurde in
Ausstellungen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Australien
gezeigt. Thomas Rentmeister wohnt und arbeitet in Berlin und ist Professor an
der Kunsthochschule für Bildende Künste Braunschweig.
Sie arbeiten seit
Anfang der neunziger Jahre unter anderem mit Lebensmitteln und Materialien, die
man in einem normalen europäischen
Supermarkt oder Baumarkt kaufen
kann. Ihre Arbeitsweise ist in mancher Hinsicht vergleichbar mit derjenigender
Minimalisten aus den sechziger Jahren.
Sie verzichten auf eine persönliche Handschrift, auf Zeichen der Selbstdarstellung und eine
traditionelle skulpturale Komposition. Wie die Minimalisten bevorzugen Sie fertige, industrielle Produkte
und deren einfache Anordnung durch Stapeln oder Aneinanderreihen. Manchmal
scheint ihre Arbeitsweise jedoch bewusst gegen die Prinzipien des Minimalismus zu
verstoßen. Sie gießen zum Beispiel Objekte wie Semmeln oder Möbelpolster in
Bronzeoder Eisen ab, was die Ablehnung der Minimalisten gegen Illusion in Frage
stellt. Ihre Arbeit ist darum nicht weniger prägnant. Sie scheint jedoch nicht von
Anfang anund unmittelbar so gewesen zu sein, wie sie es jetzt ist. Sie beendeten
kurz vor ihrem dreißigsten Lebensjahr ihr Studium. Ab 1993 umfasste ihre Arbeit
während der folgenden sechs Jahre eine Serie von ‚Blobs‘. 1999 zeigten Sie zum
ersten Mal ein Werk, in dem Sie Nutella-Schokoladenaufstrich verwendeten. Zwei oder drei Jahre später schafften
Sie etwas mit einem verblüffenden und bezaubernden Resultat: Sie schmierten
Penatencreme auf Kühlschränke. In 2005 stellten Sie Haufen von weißen Produkten
wie Zucker, Papier oder Styroporkrümel aus. Heute kombinieren Sie auch Maschendraht
mit Nutella. War der Weg, den Sie mit ihren Werken verfolgten, von vornherein
bestimmt durch eine mehr oder weniger spezifische Fragestellung, oder kamen Sie
durch Ausprobieren –und gleichzeitig
auch durch Verwerfen –dorthin, wo Sie jetzt sind?
Während der gesamten neunziger Jahre konzentrierte ich
mich fast ausschließlich auf die Werkserie der hochglanzpolierten
Polyesterskulpturen, die gern ‚Blobs‘ genannt werden. Eine kleine Wandarbeit
aus dem Jahre 1999 half mir diese ungebrochene Fokussierung auf ein einziges
Material zu beenden: ein gefundenes, tiefgezogenes Kunststoffregal, auf das ich
flächendeckend Nutella auftrug – mit einem Frühstücksmesser in einem Duktus wie
man ihn vom Brotschmieren her kennt. Das war die erste Arbeit, bei der ich ein
Lebensmittel als Bildhauermaterial verwendete – abgesehen von einigen wenigen
frühen Werken, die Mitte der achtziger Jahre entstanden sind, wie z.B. die
Kaffeetassenreihe. Nach zehn Jahren Polyester war das Nutella-Regal für mich so
etwas wie ein Neubeginn, weil es mich dazu animierte mein Repertoire um
ungewöhnliche Materialien wie z.B. Penatencreme, Zucker oder Kaffeepulver zu
erweitern und weil diese neu angeeigneten Werkstoffe eine radikalere Herangehensweise
erforderten. Bei einigen Installationen reduzierte sich der Bearbeitungsprozess
auf das Ausschütten mit dem Ergebnis einer schieren Präsentation großer
Materialmengen in Haufenform. Seitdem habe ich mein Werk auf eine spielerische
Art weiter entwickelt. Ich bin nicht analytisch sondern immer intuitiv
vorgegangen und habe alles Mögliche ausprobiert. Dennoch denke ich, dass meine
Arbeit durch eine persönliche Handschrift geprägt ist, durch die Auswahl der
Materialien und Gegenstände, die in meinen Kunstwerken vorkommen und die Art
wie ich mit ihnen verfahre. Im Rückblick ist trotz der großen Heterogenität
meines Werkes ein roter Faden erkennbar – vielleicht sind es auch mehrere rote
Fäden.
Die von Ihnen während
der neunziger Jahre gefertigten ‚Blobs‘ haben glatte und glänzende Oberflächen
und fließende, runde Formen. Das sind Äußerlichkeiten, die viele Leute mit
modernistischen Möbelentwürfen der sechziger und siebziger Jahre assoziieren.
Hat das für Sie eine Rolle gespielt, oder war es etwas anderes, das Sie dazu
trieb diese ‚Blobs‘ zu produzieren?
Oberflächen, die mit großer technischer Perfektion
gefertigt sind, kennt man vornehmlich aus dem Designbereich. In der Kunst
kommen sie eher selten vor, z.B. im Werk von John McCracken. Bei meinen ‚Blobs‘
treten sie einerseits in Kombination mit einem biomorphen Formenkanon in
Erscheinung, vor allem aber auch mit einer das Farbspektrum von Exkrementen
abdeckenden Brauntonpalette. Diese erstreckt sich von Vanille über schmutziges
Fleischrosa und diverse allgemein als abstoßend empfundene Varianten mittlerer Brauntöne
bis hin zu Zartbitter. Ich entschied mich ganz bewusst für diese Form- und
Farborientierung um die ansonsten technoid anmutenden Glanzoberflächen mit
einer organischen Komponente anzureichern. Durch eine absurd perfekte, aber an
biologische Vorgänge erinnernde Erscheinungsweise versuchte ich befremdliche
Objekte zu schaffen, die zu sehr verstören als dass ein Bezug zum Möbeldesign
gegeben wäre. Schrille Farben wie Lila oder Türkis wären für mich überhaupt
nicht in Frage gekommen. Es gab einmal eine Anfrage eines potentiellen Käufers,
ob ich die Form einer blassbraunen Skulptur vielleicht in dunkelblau
reproduzieren könnte. Das habe ich abgelehnt, denn für mich – das mag eine
subjektive Perspektive sein – war eine Form immer mit einer bestimmten Farbe
verknüpft.
Sie verarbeiten
Schokoladeaufstrich und Penatencreme. Was bringt Sie dazu das zu machen? Ist es
die leidliche Widerspenstigkeit dieser Materialien? Ist es die Tatsache, dass sie
nicht wirklich zur Formgebung geeignet sind, anders als zum Beispiel Ton? Oder
ist es ihr emphatisches Potential? Mit Letzterem meine ich, dass Nutella oder
Penatencreme im Stande sind den Zuschauer sinnlich zu erregen und in seiner
Vorstellung virtuelle Drehbücher zu öffnen. Beim Anblick von Schokoladeaufstrich
schmeckt und spürt dieser fast virtuell die Süße und die Klebrigkeit und sieht
sich vor, dass er nichts davon auf seine Kleider bekommt. Ähnlich verhält es
sich bei der Begegnung mit Penatencreme. Du kannst Dir vorstellen wie kühlend
Penatencreme sich auf einem brennenden Kinderpopo anfühlt. Offenkundig rutscht
man auf der kalten, flüssigen Penatencreme schneller aus als auf dem zäheren
Schokoladeaufstrich.
Alles, was Sie erwähnen spielt mit in die Wirkungsweise
der Werke herein, wobei ich mir nicht sicher bin bei welchem Material die
Rutschgefahr größer ist. Die Widerspenstigkeit und bei Lebensmitteln auch die
Vergänglichkeit inspirieren mich sehr. Dieses Entgleiten der Form, wodurch neue
Strukturen und Formen entstehen finde ich sehr spannend. Das emphatische
Potential, von dem Sie sprechen, unterscheidet meine Werk von dem der
klassischen Minimalisten der sechziger Jahre, eben weil es ‚virtuelle
Drehbücher‘ hervorruft und über die Selbstreferenz der Arbeiten hinausgeht – je
weiter um so aufregender, bis an die Grenzen des Kitsches. Es werden jedoch
nicht nur Geschichten erzählt, es geht auch ganz konkret um die reale
Interaktion zwischen dem Kunstwerk und seinem Betrachter und die Frage nach
dessen Verhalten. Die Polyesterskulpturen sind nur zum Anschauen gedacht, ihre
Schönheit ist jedoch so verführerisch, dass der Betrachter oft auch zum
Berührer wird. Das Resultat sind im besten Fall Fingerabdrücke auf der Oberfläche,
die die Ästhetik stören. Im schlechteren Fall wären es mechanische Verletzungen
dieser Oberfläche, die abhängig von ihrer Größe und Tiefe nur eingeschränkt
reparierbar sind. Anders ist es bei den Penaten- und Nutella-Arbeiten. In
diesem Fall kann die durch unbeabsichtigte Berührung entstandene Verschmutzung
eines Kleidungsstücksals Aggression des Kunstwerks gegenüber dem Betrachter
angesehen werden.
Wie verhält es sich bei
den Haufen oder Streuungen von Zucker, Papier, Textilien und Styropor? Diese
Werke erinnern mich an das unangenehme Gefühl von Krümeln im Bett, als ich dort
im Kindesalter ein Butterbrot mit Zucker aß. Ist es für Sie wichtig, dass man sich
beim Betrachten dieser Haufen oder Streuungen unwillkürlich vorstellt wie
ungeeignet und unangenehm Zucker und Papier als Untergrund zum Kuscheln sind,
dass das Ganze als skulpturale Masse schwer zu handhaben sein muss, und dass
das Entsorgen der Arbeit nach der Ausstellung sehr viel Zeit, Mühe und Ärger
kosten wird?
Krümel im Bett sind ja so etwas wie Sand im Getriebe.
Manchmal verspüre ich einen unwiderstehlichen Drang Sand ins Getriebe zu
streuen, etwas kaputt oder schmutzig zu machen. Vielleicht spielen da noch
Relikte einer kindlichen, mutwilligen Trotzhaltung mit hinein – vielleicht
sollte ich das mal psychologisch untersuchen lassen. Nein, besser nicht, denn
möglicherweise würde dann eine meiner Inspirationsquellen versiegen. Es ist
doch phantastisch, dass Künstler dafür honoriert werden, wenn sie Krümel
verstreuen und Chaos anrichten. Die Krümel und Haufen provozieren Fragen wie
„Wohin mit dem ganzen Zeug, wenn die Ausstellung vorbei ist?“ oder „Wer macht
das Ganze denn nun wieder sauber?“ Dass der Umgang mit den Konsequenzen einer
solchen ‚Kunstverschmutzung‘ Teil eines Gesamtkonzepts und im Idealfall
professionell organisiert ist, kommt manchen Leuten gar nicht in den Sinn. Die
Entsorgungskosten müssen von Anfang an mit eingeplant werden, genauso wie bei
‚normalen‘ Kunstwerken die üblichen Transportkosten anfallen.
In anderen Arbeiten realisierten
Sie offensichtlich auch das Gegenteil dieser Haufen oder Streuungen. Ich spiele
damit auf die akkuraten Stapel von Taschentuchverpackungen an. War es ihre
Absicht mit diesen Arbeiten beruhigende Gesten zu schaffen und beim Zuschauer
ein Gefühl von Mühelosigkeit, Hygiene und Übersicht hervorzurufen?
Für mich ist die Produktion von Kunst frei von der
Absicht ihre Wirkungsweise kanalisieren zu wollen. Wie eine künstlerische
Arbeit im Hinblick auf ihre Wirkung funktioniert ergibt sich schlicht aus ihrer
Beschaffenheit. Bei den Kuben aus Papiertaschentüchern verweist die sichtbare
äußere Hülle auf die verborgene Struktur im Inneren. Ähnlich verhält es sich bei
den geschlossenen und mit Penatencreme verspachtelten Kühlschrankarbeiten, denn
so ein Kühlschrank hat ja einen interessanten Kunststoffkern mit durchaus
skulpturalen Qualitäten. Man sieht ihn zwar nicht, wenn die Tür geschlossen
ist, aber man denkt ihn beim Blick auf das Werk unterbewusst mit. Auch die mit
aromatischer Penatencreme versiegelten Gerüche im Inneren dieses Plastikkerns
spielen in diese mehrschichtige Wahrnehmung mit hinein.
Die Struktur der Taschentuchstapel ist nicht minder
komplex. Allein schon ein einzelnes Tuch weist durch seine patentierte Faltung
eine gewisse Kompliziertheit auf. Dazu kommt die bedruckte Cellophanfolie der
Einzelpackung, von denen mehrere wiederum von einer zweiten wiederum farbig
bedruckten Folie zu einer Großpackung zusammengehalten werden. Durch die
Stapelung ergeben sich mehr oder weniger starke Verformungen der einzelnen
Packungen, je nachdem in welcher Höhe sie sich im Stapel befinden, denn das
Gewicht – immerhin mehrere Tonnen Papier – presst die unteren Schichten stärker
zusammen als die oberen. Vielleicht ist es banal, aber mir macht es großen Spaß
über die innere Struktur dieser Arbeiten nachzudenken. Mich fasziniert, dass
die Ordnung durch Tausende von ähnlichen aber doch etwas unterschiedlichen
Deformationen mit ebenso vielen winzigen, leicht ungleichmäßigen Zwischenräumen
untergraben wird. Es entfaltet sich eine Art Mikrochaos entlang der Koordinaten
eines systematischen Gefüges, welches sich übrigens auch über die Zeitachse
erstreckt, denn in jedem Taschentuch schlummert die Möglichkeit der Verformung
und Zerstörung durch Gebrauch.
In einem unbesonnenen Moment
könnte man ihre Werke mit denen von Künstlern wie Jessica Stockholder, Miles
Thurlow, Magali Reus oder Georg Herold vergleichen. Was Sie jedoch
unterscheidet ist der Gebrauch von Farbe. Sie bringen keine Farbe an. Die Farben
in ihren Arbeiten sind Eigenfarben der von ihnen verwendeten vorfabrizierten
Materialien und Produkte. Machen Sie das mit Absicht? Ist es ein Plädoyer für
die Bildhauerkunst, mit dem Sie sich von der Malerei abgrenzen wollen?
Es ist tatsächlich so, dass ich Mitte der achtziger Jahre,
also recht bald seit Beginn meiner Beschäftigung mit Kunst, damit aufgehört habe
Farbe in Form von Malerei auf einen Träger aufzutragen. Vielleicht war das
damals bereits eine strategische Entscheidung zu Gunsten einer
Auseinandersetzung mit der Welt der Dinge. Trotzdem durchzieht das Thema Farbe
– allerdings als immanente Eigenschaft von Gegenständen und Materialien – mein
Werk bis heute. Die schon erwähnten Farben der Polyesterarbeiten aus den
neunziger Jahren wurden vor der Aushärtung in das flüssige Polyesterharz
eingerührt. Die Installationen aus gebrauchten Kühlschränken und teils
lasierend gespachtelter Penatencreme
sind mit ihrem breiten Spektrum an unterschiedlichen Weißtönen ebenfalls
sehr nah am Thema Farbe, wie auch die Rauminszenierungen und Haufen aus
Mixturen von zahllosen weißlichen Materialien und Gegenständen.
Man könnte Ihre Werke
nostalgisch deuten. Sowohl der Minimalismus als auch der Supermarkt sind
Früchte dessen, was die Franzosen „Les Trente Glorieuses“ nennen – der ersten
dreißig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein bis dahin ungekanntes, ungehemmtes
Wirtschaftswachstum weckte große
Erwartungen, dass die moderne Technologie es möglich machen würde den Menschenv
on Armut, Unrecht und Arbeit zu befreien. Diese sind in mancher Hinsicht
enttäuscht worden. Jedoch referieren die Bildenden Künste, die Literatur und
die Musik bis heute an eben diese Erwartungen und die Epoche, die sie
hervorbrachte. Vor einigen Jahren rührte der Sänger Peter Licht das Herz von
manchem Deutschem mit dem Lied vom Ende des Kapitalismus. Das ist vielleicht
vergleichbar mit dem Wiederaufleben einer alten Liebe oder einer glücklichen Jugendzeit.
Es ist irgendwie herzzerreißend, aber wir können es nicht lassen. Man könnte
denken, dass es etwas sein muss, das zu uns gehört und das wir brauchen. Sind
solche Überlegungen und die Tatsache, dass Supermarkt und Minimalismus
historisch mit dieser hoffnungsvollen Ära der modernen Gesellschaft verknüpft
sind, für Sie in Bezug auf ihre Arbeit von Bedeutung gewesen?
In den letzten beiden dieser ‚glorreichen‘ drei
Jahrzehnte habe ich den Großteil meiner Sozialisation erfahren und das moderne
Wohlstandsdenken hat mich sicherlich geprägt – jedoch dahin gehend, dass ich
ihm sehr kritisch gegenüberstand und es auch heute noch tue. Die Erinnerungen
an die Zeit im Westdeutschland der sechziger und siebziger Jahre sind
allerdings auch heute noch eine der Quellen meiner künstlerischen Inspiration:
Nutella, Penatencreme, Prinzenrollen hatten zu der Zeit Hochkonjunktur – ich
erinnere mich heute noch an die umfassenden Werbekampagnen in dieser Zeit.
Dieser Glück verheißende Schwachsinn hat allerdings schon damals Aggressionen
in mir ausgelöst und ist wahrscheinlich der Grund für meinen ungewöhnlichen
Umgang mit diesen Produkten.
Ein Betrachter könnte
ihr Werk auch auf eine Weise deuten, die mehr der Aktualität und der Zukunft
zugewandt ist. Man könnte sagen, dass der Minimalismus mit seiner Konzentration
auf die leibliche Erfahrung des Objekts und des Raumes eine der ersten
Kunstströmungen ist, die auf einen Wandel des Westlichen Denkens reagiert. Nach
Jahrhunderten der Vormachtstellung des Geistes über Körper und Materie werden nun
die Rollen radikal getauscht. Neue Auffassungen wie die „Embodied
Mind Theorie“ argumentieren, dass Sprache und Denken eben durch unseren Körper
und durch dessen Interaktion mit anderen Körpern und Objekten in Form von
Bewegung und sinnlicher Erfahrung möglich sind.
Weil wir Körper haben, können wir uns vorstellen und einfühlen, was
Kraft, Bewegung und Beschleunigung sind und haben dafür naturwissenschaftliche
Formeln gefunden. Der Körper ist – kurz gesagt – kein zweitrangiger Anhang
mehr, sondern in erster Linie ein Anfang. Das einundzwanzigste Jahrhundert wird
das Jahrhundert des Körpers sein und des an seiner Seite emanzipierten Objekts.
Darum sollte es in der Kunst nicht mehr um immaterielle Gedanken gehen, die
‚hinter‘ dem Kunstwerk stecken oder von ihm verkörpert werden, sondern um das
Kunstwerk als Körper oder Objekt mit dem Vermögen uns sinnlich anzusprechen und
unabdingbar Gedanken, Assoziationen und Szenarios des Handelns wachzurufen. So
könnte man denken, aber haben solche Gedanken Sie jemals motiviert?
Ohne Zweifel hat der Minimalismus der sechziger Jahre
Vorbildcharakter für mich, weil die Begeisterung für eine sinnlich orientierte
Kunstauffassung stets ein wichtiger Motor für meine Arbeit war. Allerdings
zweifle ich daran, dass das 21. Jahrhundert eines des Körpers sein wird.
Angesichts der mittlerweile alle Lebensbereiche vereinnahmenden digitalen
Technologien befürchte ich für die nächsten Jahrzehnte eher eine Verkümmerung
der Körperlichkeit.